Face Nr. 45 Reini 1.10.2020

1.10.2020 / Rapperswil

Was vermeintlich als zu zaghaft begann, endete glücklicherweise in einem relativ forschen Vorgehen. An meinem Stammplatz hatte ich mein zuverlässiges, zweirädriges Fahrzeug parkiert und den Helm in der Satteltasche verstaut. Entspannt begann ich meine Sichtung von Faces auf dem grossen Platz. Würde ich heute endlich mal einen wirklich verwegenen Tramper erwischen, der im Reinhold-Messner Look die Welt zu erobern versuchte. Oder war es ein Arbeiter, der auf einer Baustelle harte Arbeit leistete? Ich versuchte diese Gedanken sofort wieder zu vergessen, da ich unvoreingenommen den Gesichtern begegnen wollte. Ich lief durch eine schmale Gasse und sah, dass in einem kleinen Strassenkaffee einige Leute draussen bei Kaffee und Kuchen sassen. Dies trotz stark bewölktem Himmel. Als ich näher kam, sah ich einen kräftig gebauten Kerl mit Lederjacke und einem etwas gefährlich wirkendem Gesicht. Er trank einen Espresso, aber vor allem rauchte er genussvoll eine stattliche Zigarre. Dieses Face wäre cool für mein Projekt. Ich kam ihm immer näher, doch als ich nahe genug war, hielt ich mich selber zurück. Dieser Typ war bestimmt nicht in der Stimmung fotografiert zu werden, er würde bestimmt unfreundlich reagieren. Diese Gedanken liessen mich an ihm vorbeigehen und als ich mich ein wenig entfernt hatte, ärgerte ich mich über mein Zögern. So lange du jemanden nicht ansprichst, weisst du nie, was das Resultat gewesen wäre. Ein bisschen geknickt lief ich weiter. In der Zwischenzeit hatte ich meine Niederlage gegen mich selbst verdaut und befand mich auf einem Platz mit verschiedenen Strassenkaffees. Ich bemerkte einen Strassenmusiker der scheinbar dabei war zu zahlen. Seine Gitarre war am Stuhl angelehnt und sein Outfit strassenmusikertauglich. Sein Profil gefiel mir und als ich das Gesicht sehen konnte, fühlte ich den Schmerz über das zuvor verlorene Zigarrengesicht nicht mehr. Nachdem er bezahlt hatte, lief er los und sofort nahm ich seine Verfolgung auf. Er hatte ein rechtes Tempo drauf und ich musste beinahe rennen, um ihn einzuholen. Endlich war ich nahe genug, um ihn anzusprechen. Ich fragte, ob er es eilig hätte. Ein wenig überrascht entgegnete er mir, eigentlich nicht. Sofort begann ich ihm meine Geschichte bzw. mein Projekt zu erklären. Reini fand mein das Projekt cool und willigte sofort ein. Nachdem ich das Portraitfoto gemacht hatte, fragte ich Reini, ober er noch gerne ein Foto zusammen mit seiner Gitarre möchte. So stellte er sich noch einmal hin und sagte, dass er den Eindruck habe, dass das Foto zu künstlich aussehen würde. Ich gab ihm recht und wies ihn an, nicht nur dazustehen, sondern seine Gitarre und Stimme zu benutzen. Wie erwartet wirkten diese Fotos dann auch wirklich echt. Ich bedankte mich bei Reini für das Photoshooting und das private Konzert. Seine Musik überzeugte mich ebenso wie sein Face. Vielen Dank Reini, dass du bei meinem Projekt dabei bist.

Gert KraftKommentieren